Der Aufstieg der NSDAP

Diagramm: Wähler der NSDAP in Schwaben (in Prozent der Wahlberechtigten)

Die Prozentzahlen beziehen sich nicht auf die abgegebenen Stimmen sondern auf die Zahl der Wahlberechtigten, was den Vorteil hat, dass die unterschiedliche Höhe der Wahlbeteiligung quasi herausgerechnet wird. Diese Berechnungsweise hat sich in der historischen Wahlforschung weitgehend durchgesetzt. 

Der Aufstieg der NSDAP begann bei der Reichstagswahl am 4. Mai 1924 mit einem unerwartet guten Ergebnis. In der Rückschau ist dies allerdings leicht erklärlich: Zu diesem Zeitpunkt waren die Folgen der Hyperinflation noch nicht überwunden. Kaum blühte die Wirtschaft auf, erlitt die Partei drastische Einbußen, noch am Ende des Jahres 1924 fiel sie auf magere 2,2 Prozent zurück.

Nur zur Vollständigkeit sei erwähnt, dass die Partei bei den ersten beiden Wahlen in Bayern unter dem Namen „Völkischer Block“ antrat, denn sie war ja seit dem missglückten Hitlerputsch des Jahres 1923 offiziell verboten.

1928 trat sie dann unter dem richtigen Namen NSDAP an, und erzielte auch dann nur etwa 3 Prozent. Die Wirtschaftskrise setzte 1929 ein und wurde erst 1930 richtig spürbar, und schon schossen die Ergebnisse der Partei in die Höhe: 11 Prozent in der Reichstagswahl 1930. Bei der Reichstagswahl im Juli 1932 konnte sie ihr Ergebnis mit 23,5 Prozent noch mehr als verdoppeln.

Damit hatte sie ihr Wählerpotential weitgehend ausgeschöpft und schon bei den ersten Anzeichen einer wirtschaftlichen Stabilisierung musste sie leichte Wählerverluste hinnehmen. Im November 1932 kam sie nur noch auf 22,5 Prozent.

Bei der letzten halbwegs demokratischen Wahl im März 1933, also nach der Machtübertragung an  Hitler Ende Januar, konnte sie einen überwältigenden Wahlerfolg verbuchen, ohne allerdings auch nur entfernt an die absolute Mehrheit heranzukommen, trotz allen Propaganda-Aufwands und aller Manipulationen,  die sie einsetzte, um ihre neugewonnene Macht abzusichern.

Diagramm: NSDAP-Wähler in Schwaben und Bayern*(ohne Pfalz) im Vergleich  

Die Entwicklung in Schwaben folgte weitgehend dem Trend von Gesamtbayern, lag allerdings, mit Ausnahme der letzten beiden Wahlen immer etwas unter dem bayerischen Durchschnitt. Der leichte Wählerrückgang Ende November war in Bayern allerdings wesentlich deutlicher ausgeprägt als in Schwaben.

Diagramm: NSDAP-Wähler in Schwaben im Vergleich zur Entwicklung im deutschen Reich

Im Vergleich zur Entwicklung im deutschen Reich fällt auf, dass die ersten Erfolge der Partei in Schwaben deutlich höher ausfielen, dass aber dann beim Einsetzen der Radikalisierung die schwäbischen Ergebnisse deutlich unter dem Trend auf Reichsebene lagen. Erst bei der Reichstagswahl 1933 übertrafen die Schwaben die Erfolge der NSDAP auf Reichsebene.

Wie verlief nun der Aufstieg der NSDAP innerhalb Schwabens? Dies zeigen die folgenden Karten, die bewusst mit fixen Schwellen arbeiten, um die Karten leichter vergleichbar und so die Veränderungen klarer sichtbar zu machen.

Wuchs die NSDAP in einem erkennbaren räumlichen Muster? Oder war alles im Fluss? Um die räumlichen Muster erkennbar zu machen, wechseln wir nun auf flexible Schwellen, die die Hierarchie innerhalb der Städte und Kreise abbilden. Dabei beschränken wir uns auf die drei Wahlen, in denen der Durchbruch der Partei von einer marginalen Randgruppe zu einer breiten Massenbewegung vor sich ging: 1928 bis 1932.

Die Karten illustrieren die Turbulenz dieser Jahre, machen aber durchaus auch Ansätze zu festeren Raumstrukturen erkennbar. Das zeigt sich am ehesten an den Landkreisen, die anhaltend relativ resistent gegen diese Partei blieben, die vor allen Dingen in der Mitte und im Norden Schwabens zu suchen sind.

Stabile Hochburgen hatte die Partei dabei kaum, lediglich die Städte Lindau und Neu-Ulm kann man also solche klar identifizieren. Aber bei genauerem Hinsehen kristallisieren sich auch bei den Landkreisen diejenigen mit einer anhaltenden stärkeren Anfälligkeit für diese radikale Partei heraus, z.B. die Landkreise Lindau, Memmingen und Günzburg.

Was in den Karten nicht so leicht sichtbar wird, aber wesentlich für das Verständnis der Entwicklung ist, ist die Verlagerung des Wählerschwerpunkts von den Städten auf das Land. Dies zeigt das folgende Balkendiagramm.

Das Diagramm bezieht sich auf die Gesamtzahl der NSDAP-Wähler (jeweils 100%) in den einzelnen Wahlen, blendet also die Höhe der NSDAP-Stimmen im gesamten Wählerspektrum aus. Dies bedeutet deshalb also nicht, dass die Partei nicht auch in den Städten gewachsen wäre, aber eben relativ deutlich schwächer als auf dem Land.

Was machte die NSDAP so attraktiv für die ländlichen, also überwiegend bäuerlichen Wähler? Auf diese Frage gibt es natürlich keine einfache Antwort. Darüber könnte man stundenlang diskutieren. Die Sichtweise der Zeitgenossen fasst ein Zitat des damaligen Regierungspräsidenten von Schwaben, Heinrich von Spreti, kurz und knapp zusammen.

Es blendet viele Aspekte aus, kann also zweifellos keine wissenschaftliche Gültigkeit für sich beanspruchen, enthält aber durchaus einen großen Kern an Wahrheit: Spreti schrieb am 5. März 1932:

„Aus Ämterberichten ist zu entnehmen, dass die Nationalsozialisten aus den Kreisen der Bauernschaft immer mehr Zulauf erhalten, weil die Bauern glauben, dass, wenn Hitler zur Regierung komme, Schuldentilgung, Steuernachlass und zinsloser Kredit gewährt werden.“

Mit anderen Worten: Die Attraktivität der Nazis bei den Landwirten basierte darauf, dass sie ihnen hemmungslos das versprachen, was sie gerne hören wollten. Und dabei vertrauten sie darauf, dass ihre Versprechen nicht hinterfragt werden würden, ob und wie sie erfüllt werden könnten, und – um welchen Preis.