Die feindliche Übernahme

In Schwaben dominierte zwar noch immer die Landwirtschaft, aber selbstverständlich gab es auch die ganze Palette der anderen Wirtschaftszweige, auch wenn die Berichte des Regierungspräsidenten des Jahres 1928 diese Tatsache kaum widerspiegeln. Sie vermitteln vielmehr den Eindruck, dass die Landwirtschaft immer noch das Alles beherrschende Thema sei. Doch die Industrialisierung war auf dem Vormarsch, der Kapitalismus machte sich auch in unserem Regierungsbezirk breit. 

Apropos Kapitalismus: 1928 erlebte der Bezirk Schwaben einen richtig bösartigen Wirtschaftskrieg, und zwar eine „feindliche Übernahme“ in der Zementindustrie. Die Trasswerke Möttingen (bei Harburg) waren in das Visier des Süddeutschen Zementsyndikats geraten.

Die Eigentümer der Trasswerke weigerten sich, dem Syndikat beizutreten, das daraufhin ganz dreist sämtliche Grundstücke um das Werk Möttingen aufkaufte, um eine Erweiterung des Werkes zu verhindern.  Dann bearbeiteten die Syndikatsbosse die Aktionäre der Trasswerke, bis diese so mürbe waren, dass sie „sich ergeben haben“ (Spreti).

„Es ist eine hinreichend großes Aktienpaket an das Syndikat verkauft worden. Obwohl das Werk Möttingen glänzend beschäftigt war, wird es nun am 1. Dezember zunächst einmal für einige Monate geschlossen[ …]. Formell wird die Schließung vom 1. Dezember ab nach dem bezirksamtlichen Bericht wohl mit der Notwendigkeit der Erneuerung von Kesseln und dergleichen begründet werden. Wann der Betrieb wieder aufgenommen wird, steht dahin. Bisher haben von dem Werk 200 Familien gelebt.“

Der Betrieb wurde nie wieder aufgenommen. Die Verbitterung darüber war sehr groß.

„Nicht zu Unrecht findet das Bezirksamt scharfe Worte gegen dieses Vorgehen des Syndikats. Das Bezirksamt sagt, in dem Kampf zwischen dem Syndikat und den Trasswerken seien Riesensummen verschleudert worden, die künftig die Zementverbraucher mit Zins und Zinseszinsen  bezahlen müssten. Wenn das Zementsyndikat, bei dem doch wohl eine Reihe Geheimer Kommerzienräte und anderer Geldleute beteiligt sind, nicht nur gegen das Eigentum einer Fabrik sondern auch gegen Hunderte von Familien, deren Schicksal an diesem Werke hängt, so vorgeht, wie es hier geschehen ist, so braucht man sich nicht zu wundern, wenn bei den armen Arbeitern eine ebenso brutale Einstellung gegen Eigentum, Recht und Lebensmöglichkeit von Unternehmern entsteht“.[19.11.28]

Gemeint ist hier wohl das drohende Abdriften der entlassenen Arbeiter zu  den Kommunisten. Genau dies war allerdings in Möttingen nicht zu befürchten: Im Sommer 1928 hatte sich der größte Teil der  Arbeiterschaft der Trasswerke, die ganz überwiegend aus Bauernsöhnen bestand, dem „Reichsbund Vaterländischer Arbeiter-und Werkvereine“ angeschlossen, einer rechtsstehenden Vereinigung, die den Gewerkschaften und deren „Klassenkampf“ feindlich gegenüber stand und stattdessen anstrebte, die Arbeiter in das „Volksganze“ und in den Betrieb einzuordnen.  Nun bekamen diese Arbeiter allerdings einen ganz brutalen Klassenkampf von oben am eigenen Leib zu spüren. Ob sie daraus politische Konsequenzen zogen, ist nicht überliefert.

Am 7.11.1930 berichtet Spreti, dass das Zementsyndikat nun vorhabe, das Werk Möttingen abbrechen zu lassen. Er beklagt die Tatsache, dass nie beabsichtigt gewesen sei, es wirklich fortzuführen, sondern dass es von Anfang an nur gekauft worden sei, um die Konkurrenz zu vernichten. Dabei sei die Auftragslage des Werks bis zur Übernahme blendend gewesen. Spreti beklagt, viele Gemeinden im Landkreis Nördlingen seien stark „geschädigt“ worden. [i]


[i] Siehe dazu die interessante Website mit vielen historischen Fotos: https://suevitgestein.jimdo.com/trasswerk/